Projekt Stadtgang
Nürnberg im Juli 2003. Thomas Bauer-Haberbosch macht sich auf den Weg, die Straßen seiner Stadt zu besuchen. Ausgestattet mit Wanderschuhen und einem alphabetischen Straßenverzeichnis geht er zu Fuß von seinem Atelier zu jeder einzelnen Straße, schaut sie sich an und läuft wieder zurück. Dann webt er sofort den Namen der Straße als Streifen im Morsecode zu einem Stück schwarzen Schal. Durch das Handweben fließt der persönliche Eindruck in das Gewebe ein. Je nach Länge der Straßennamen ergeben acht bis zwölf Straßen einen kompletten Schal – das materielle Resultat der Aktion.
Zeit ist der grundlegende Gedanke diese Projekts. Die Langsamkeit der Herstellung der Schals durch einen Handwebstuhl steht im Kontrast zur schnellen industriellen Produktion. Die Dauer des Projekts – schätzungsweise 20 bis 25 Jahre bei etwa 3000 Straßen – im Gegensatz zum schnellen Mode-Gag. Die Ruhe des meist mehrstündigen Weges zu einer Straße (Hin- und Rückweg sind zusammen bis zu 30 km lang) im Widerspruch zur Hektik des Stadtlebens...
Nürnberg im Juli 2021. Das Atelier muss der Abrissbirne weichen. Daher gebe ich meinen Webstuhl auf und gehe einen Schritt weiter in die Abstraktion. Das Projekt geht weiter, doch ab dem Anfangsbuchstaben M gibt es keine Schals mehr.